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NACHGEFRAGT: AUTORENSICHT - Andreas Fehler

Moin!

Schön, dass Sie dabei sind und sich den Fragen stellen.

Damit die Leser wissen, mit wem sie es zu tun bekommen, stellen Sie sich in 3 Sätzen bitte vor:

In jungen Jahren las ich noch voller Hoffnung: Die Reise zum Mittelpunkt der Erde, gegen Ende meiner Schulzeit Goethes Faust sowie Umberto Ecos Der Name der Rose. Nach der Revolution folgten Christoph Heins Ritter der Tafelrunde, Christa Wolfs Was bleibt, schließlich: Elias Canettis Die Blendung, Nietzsches Zarathustra und Adalbert Stifter.

Letztlich aber (resignierend), wohl mein wichtigster Schlüsseltext: Dantes Göttliche Komödie.

Und nun geht es auch schon mit dem Kurzinterview los!

1) Wann haben Sie zum ersten Mal realisiert, dass Sie Schriftsteller werden wollten?

Schriftsteller - finde ich - ist doch ein zu hoher Begriff.

Nun, in der Bahn wars. 1994. Nachdem ich ein Buch über Fossilien zu Ende gelesen hatte. Damals wollte ich etwas über Brachiopoden schreiben. Dazu kam es aber nie. Stattdessen: ein Artikel über ein 112.000 Jahre altes Vogelei aus dem Travertin von Burgtonna.

Ja, mit geologischen Aufsätzen begann ich, gleich nach meiner Ausbildung zum Geowissenschaftlichen Präparator. Am Schreibtisch der Bundeswehrzeit hatte ich auch genügend Zeit. Damals wurde mir bewusst, man kann nur das gut schreiben, was man kennt.

2) Was sind die wichtigsten Punkte, die ein gutes Geschichtenerzählen ausmachen?

Nachdem der Marmorblock gemeißelt ist, ihn erstmal aus den Augen schaffen!

Erst nach gehörigem Abstand erfolgt das Glätten und Polieren. Vielleicht auch eine zweite Fassung. Wichtig ist, dass über den Text in einem Literaturkreis gesprochen wird. So erkannte ich immer meine schlimmsten Fehler. Neue Texte mit aller Kraft und Wachsamkeit schreiben. Der Stoff muss wirklich neu sein, muss dem Leser etwas zu sagen haben. Aber, vor dem Aufschreiben diesen erst einmal mit sich herumtragen; der Stoff muss nämlich reifen. Alles in lesbarer Sprache verfassen. Keine Philosophie. Wehe dem gekünstelten Ausdruck! Der Text darf aber auch nicht lapidar im Ausdruck sein. Der Autor darf nämlich seine Leser niemals unterschätzen! Gedichte am besten nur in drei Strophen. Wer zu viel schreibt, aber nichts zu sagen hat, dessen Texte sind - trivial.

Ja, das sagt sich alles so leicht; und doch ist`s so schwer.

(Mein 1. Literaturtipp an die Jungen des Verbandes: Johann Christoph Wielands Briefe an einen jungen Dichter.)

3) Was ist Ihnen als Autor wichtig, mit Ihren Geschichten als Prosa-Autor, als Lyriker auszudrücken?

Ich versuche im Schreiben die Wahrheit zu finden.

Zuvor aber kommt das Lesen. Mein Beobachten und Nachdenken, endlich das Schreiben. Nicht das, was äußerlich besteht interessiert mich schriftstellerisch, sondern das Hintergründige. Das Unaussprechliche will ich wagen. Immer das Neue. Das Unerhörte.

Nicht, um zu provozieren, oder zu belehren! Nein, ich will Erkenntnis schaffen: Wer wir Menschen sind, wer ich bin, was uns Menschen erst zu dem gemacht hat. Nicht schön soll mein Schreiben sein, aber ästhetisch. Sprache soll es haben.

Zugegeben, ich bin ein furchtbarer Optimist.

4) Was würden Sie tun, wenn Ihr Protagonist/Ihre Protagonistin Sie plötzlich besuchen kommt?

Ich würde im Haus alle Spiegel verhüllen.

Denn mein Spiegelbild – mein Alter Ego – käme zu Besuch. Dann würden ich mit dem Protagonisten meines Romans Vom Abrieb der Zeit in der Bibliothek sitzen und schweigen. Wir würden uns anblicken: würden über seine & meine, somit über die Geschichte von uns allen reden.

5) Die ‚Sunday Times‘ hatte 1000 Menschen gefragt, welchen Beruf sie als nicht-notwendig erachten, die während der Corona-Krise unterstützt werden sollten. Dabei landete „Künstler“ auf Platz 1.

Wie denken Sie darüber?

Ich will ehrlich sein.

Wo bleibt denn die Kultur im Leben, wenn alle Körper wirklich in Angst leben?

Wenn der Mensch sein Tierisches nicht mehr leugnen kann. Trotz all seiner Vernunft des aufrechten Gangs. Wenn wir keine Gedichte mehr von Erich Arendt lesen, keine Musik The Beatles hören wollen, keinen Picasso mehr schauen können. Wenn wir Menschen nur noch uns selbst genug sind. Nudeln und Klopapier werden dann unsere Leitwährung -, der Einzelne nur noch sich selbst gerecht sein. Ja, dann will der Mensch keine Kultur mehr.

Möglicherweise bleibt aber das Gebet, - am Ende all der Tage.

6) Schreiben Sie bereits an einem neuen Buch? Wenn ja, können Sie uns schon etwas darüber verraten?

Ja, ich versuche mich an drei neuen Irrtümern.

Ich übersetze derzeit Die Könige Dänemarks von Kay Nielsen aus dem Dänischen. Arbeite an einem neuen Artikel über mikroskopisch kleine Kristalle in einem Feuerstein und verdichte alle drei Monate unsere Corona-Zeit zu einem Gedicht.

Derzeit geht aber alles sehr langsam voran.

7) Viele Leser möchten gern mit ihren Lieblingsautoren in Kontakt treten. Gibt es bei Ihnen dazu eine Möglichkeit? Haben Sie eine eigene Internet- oder Facebookseite?

Im Telefonbuch steht doch alles.

Briefe beantworte ich gerne, denn das Briefe- oder Postkartenschreiben soll bei mir auch zu Literatur werden. Ich halte mich da altmodisch an Friedrich Hölderlin, der meinte: Das was bleibet, stiften die Dichter.

(Mein 2. Literaturtipp an die Jungen des Verbandes: Ich sende meine Leserbriefe immer an den Hausverlag des Dichters, mit der Bitte um Weitergabe. Wenn sie antworten, bin ich bereits mit ihnen im Gespräch.)

Wir vom Verband der Schriftsteller in Schleswig-Holstein e.V. bedanken uns für die Zeit, die Sie sich für die Beantwortung unserer Fragen genommen haben und wünschen Ihnen bei Ihrem kreativen Schaffen weiterhin viel Erfolg!

Danke!

Freude wird es mir machen; und Leid bringen – auch.

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